Nachdem meine Rezension auf der Histo-Couch erschienen ist, darf ich sie euch nun auch hier repräsentieren:
Marie Cristen
Die Stunde des Venezianers
Historischer Roman
Knaur
HC, 501 Seiten
ISBN: 3426661802
Eine große Liebesgeschichte aus dem 14. Jahrhundert
Als einzige Überlebende einer Pestepidemie wächst die junge Adlige Aimée Andrieu bei ihrer Großmutter Violante auf und lernt auf der Hochzeit Philipps des Kühnen mit Margarete von Flandern den charmanten Ruben Cornelis kennen. Er ist Erbe eines der wichtigsten Handelshäuser Brügges. Doch schon kurz nach der baldigen Heirat stirbt dieser bei einem Schiffsunglück und Aimée Cornelis wird vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt. Das Handelshaus Cornelis steht vor dem Ruin und die junge Witwe ist „nur“ eine Frau … Wie kann sie die mächtigen Kreditgeber beruhigen, was kann sie tun?
Anfänge des bargeldlosen Handels
Flandern ist im 14. Jahrhundert das Land in Europa, das mit mächtigen Kaufleuten und Handelshäusern den Kampf um den Weltmarkt in der Tuchindustrie aufnimmt. Es ist die Zeit des Hundertjährigen Krieges und selbst der Friede, der 1375 in Brügge geschlossen wird, hält nur zwei Jahre. Marie Cristen bietet uns einen historischen Hintergrund mit historischen Persönlichkeiten wie Philipp dem Kühnen und seiner Frau Margarete, gibt uns Einblick in das damalige Bankenwesen, das in Flandern die bedeutendsten Banken Nordeuropas hervorbrachte und beleuchtet auf eindringliche Art das kaufmännische Gewerbe.
Als junge Witwe hat Aimée nicht gerade den besten Start. Zu dieser Zeit ist die Frau eben „nur“ eine Frau und bestenfalls die Gattin eines erfolgreichen Mannes. Undenkbar, dass eine Frau allein bleibt und sogar Handel treibt. Daher legt man ihr immer wieder nahe, doch entweder wieder zu heiraten oder zu ihren Verwandten zurück zu gehen. Dass Aimée dennoch in Brügge bleibt und zu kämpfen beginnt, dem Handelshaus Cornelis wieder zum wirtschaftlichen Aufschwung verhilft und das ohne sich erneut verheiraten zu lassen, verlangt uns einigen Respekt ab. So sieht der Leser gern darüber hinweg, dass dies recht unglaubwürdig scheint.
Leichte Lektüre für zwischendurch
Gelegentliche Spannungsdämpfer entstehen durch etwas langatmige Kapitel und eine recht einfach gehaltene Satzebene mit einer Romantik, die teilweise ein wenig verklärt dargestellt wird. Allerdings wartet das Buch mit einer großen Liebesgeschichte auf und bietet einiges an Wissenswertem im Handel- und Bankenwesen.
Das Ende scheint dann sehr gerafft, es liest sich im Vergleich zu den 51 Kapiteln davor etwas gehetzt und vermittelt den Eindruck, als wäre keine Zeit mehr verblieben. Doch alles in allem hält der Leser eine leichte Lektüre für zwischendurch in den Händen.
Sehr gut sind nicht nur der Stammbaum des Hauses Cornelis gleich zu Beginn des Buches, um die etwas verzwickten Verwandtschaftsverhältnisse Aimées zu beleuchten, sondern auch die Anmerkungen der Autorin am Ende. „Die Stunde des Venezianers“ ist zwar der Folgeband von „Beginenfeuer“, doch ist es nicht notwendig, das erste Buch gelesen zu haben, um dem zweiten folgen zu können.
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