15.12.2008

Ein Guckloch in der Scheibe

Oh, wie bitterkalt ist es draußen! Wir haben Ferien; denn morgen ist der Heilige Abend. Ich stehe am Fenster, und das ist von oben bis unten ganz mit Eisblumen bedeckt. Ich hauche und hauche gegen die Scheibe, bis ein kleiner feuchter Fleck da ist und das Eis schmilzt, und nun ist ein Guckloch im Fenster.

Jetzt kann ich auf die Straße sehen. Da geht ein Mann, der hat beide Hände in den Taschen. Er zieht die Schultern hoch, damit die Ohren sich an seinem Mantelkragen wärmen können. Da kommen zwei größere Knaben; sie tragen Schlittschuhe über der Schulter und haben dicke Handschuhe angezogen. Ein kleines Mädchen trippelt dicht hinter ihnen her, damit es etwas gegen den scharfen Ostwind geschützt ist, der durch die Straßen fegt. Kein Kind spielt draußen, alle sind wohl in den warmen Stuben. Die Fenster in den Häusern gegenüber sind fast alle gefroren. Sieh, unsere Milchfrau kommt über die Straße! Sie will uns Milch bringen. Oh, wie sieht sie aus! Sie ist ganz in Tücher und Mantel eingehüllt. Nur ihre Nasenspitze ist zu sehen. Wie mögen ihr wohl die Hände frieren trotz der dicken wollenen Handschuhe, die sie anhat! Da haben wir es besser. Wir haben eine warme Stube, und unser Ofen sieht schon ganz rot aus, so viel Mühe gibt er sich, um das Zimmer zu erwärmen. Die heiße Kaffeekanne dampft auf dem Tisch. Die Mutter gibt uns Butterbrot, und meine Schwester trägt einen vollen Kohlenkasten in die Stube

Heinrich Scharrelmann

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